Kosten der Dekarbonisierung im ÖPNV der österreichischen Ballungsräume

Lena Rücker, am 19.09.2018

Zur Dekarbonisierung (Klimaschutz, Ausstiegt aus allen fossilen Energieträgern) gibt es Konzepte, aber was bedeutet das für ÖV der Stadtregionen?
Im Auftrag der UAG Stadtregionaler Verkehr erstellte die Berliner KCW GmbH eine  Studie, welche eine Annäherung an die Größenordnung der Aufgabe versucht und auf die Notwendigkeiten der Finanzierungsinstrumente hinweist.
Die Vorgaben der EU bedeuten einen kompletten Umstieg auf alternative Antriebe bis 2050. Eine derartige Umstellung braucht Prozesse, die lange Zeit benötigen. Aber die Klimaziele im Verkehrsbereich sind nur erreichbar, wenn es parallel zur Antriebsumstellung eine Verlagerung von MIV auf den Umweltverbund gibt. Dies erfordert zusätzliche Kapazitäten im ÖV.
In der Studie wurden die bestehenden Landeskonzepte analysiert, die teilweise auch Aussagen dazu treffen. Dann wurde pro Stadt ein Modellfall pro Stadt angenommen und die Frage gestellt: „Auf welche Art von Umstellung läuft das zu?“ Das Ergebnis im vorliegenden Bericht sind Annahmen von KCW, welche auf Grundlage von Masterplänen der Städte getroffen wurden.

Den gesamten Endbericht zu den Investitionsbedarfen zur Dekarbonisierung des ÖV in den Österreich finden Sie hier:
https://www.staedtebund.gv.at/themen/mobilitaet/stadtregionaler-oev/

Nachfolgend die Kurzfassung der AutorInnen:

 

Elisa Claus, Katrin Augustin, Christoph Schaaffkamp

Dekarbonisierung des ÖPNRV - zusätzliche Kosten

Bund, Länder und Städtebund haben im Rahmen der „Unter-Arbeitsgruppe Stadtregionaler Öffentlicher Verkehr“ (UAG) mehrere Studien zur Organisation des stadtregionalen ÖPNRV in Auftrag gegeben.[1] Das auf den ÖV spezialisierte Beratungsunternehmen KCW hat dabei insbesondere Reformvorschläge für die Finanzierung abgeleitet, die für eine höhere Transparenz, Planbarkeit und Effizienz sorgen sollen. Dies führte zur weiteren Untersuchung des aktuell absehbaren Investitionsbedarfs. Solcher ergibt sich unter anderem durch die Notwendigkeit der Dekarbonisierung des Verkehrs; die hierdurch entstehenden Mehrkosten hat KCW für die Landeshauptstadtregionen abgeschätzt.
 

"Dekarbonisierung" - wann und wie?

Das Pariser Abkommen soll den Ausstoß an Treibhausgasen so vermindern, dass die Erhitzung des Erdklimas auf maximal 1,5 bis 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt wird. Im Rahmen der völkerrechtlich verbindlichen Ziele haben sich Österreich und die EU dazu verpflichtet, den Ausstoß im Verkehrssektor gegenüber 1990 bis 2030 um 40 % und bis 2050 um 95 % zu senken[2].

Derzeit arbeitet die EU an wesentlichen Umsetzungsakten. Relevant für den ÖPNRV ist insbesondere die Novellierung der "Clean Vehicles" Richtlinie[3]. Sie soll verbindlich dazu verpflichten, dass bei der Beschaffung von Bussen "saubere Busse" ab 2025 einen Anteil von mindestens 50 % sowie von 75 % ab 2030 erreichen. Wenn das Minderungsziel bis 2050 realisiert und versunkene Investitionen vermieden werden sollen, muss die vollständige Umstellung der Beschaffung Mitte bis Ende der 2030er Jahre abgeschlossen sein.

 

Höhere Kosten in den Stadtregionen der Landeshauptstädte!

Es stellt sich somit die Frage, welche finanziellen Effekte mit der Umstellung auf klimaneutrale Antriebe verbunden sind.[4]

Die Mehrkosten umfassen unterschiedliche Kategorien: einmalig müssen die Städte bzw. ihre Betriebe die erforderlichen Infrastrukturen herstellen und den innerbetrieblichen Transformationsprozess bewältigen. Zusätzlich ersetzen sie den Fuhrpark durch (teurere) elektrische Fahrzeuge.

Diese technologische Umstellung wird voraussichtlich nicht ausreichen. Vielmehr ist zu erwarten, dass zusätzlich eine deutliche Veränderung in der Verkehrsmittelwahl (Modal Split) zu bewirken ist, in der der ÖPNV einen deutlich höheren Anteil an allen Wegen übernehmen wird. Umsetzbar ist dies aber nur, wenn die dafür notwendige Kapazität im ÖPNV vorhanden ist. D.h. es bedarf neuer Infrastruktur, zusätzlicher Busse und Bahnen, und mehr Angebote.

Konkrete, monetär bewertbare Planungen sind in den Bundesländern und Städten bislang noch in Vorbereitung. KCW hat daher für die UAG eine auf Annahmen basierte Abschätzung der Mehrkosten gegenüber dem Status quo erstellt, um den zusätzlichen Finanzierungsbedarf einschätzen zu können.

Der Abschätzung liegen folgende Annahmen und Setzungen zugrunde:

  1. Betrachtet werden die Mehrkosten der technologischen Umstellung (Diesel à elektrisch) und die für die Verkehrsverlagerung zum ÖV erforderliche Ausweitung der Kapazitäten
  2. Die Umsetzung wird jeweils in zwei Stufen (bis 2030/2050) vollzogen
  3. Für jede Landeshauptstadt und deren Stadtregion wurde ein Szenario zu den Zieltechnologie(n) des Antriebs der Busse entwickelt - entweder Elektrobusse mit Batterien ("Streckenlader" mit partieller Oberleitung, Depotlader/Gelegenheitslader) oder Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeuge[5]
  4. Gegenstand sind die Linienverkehre mit Bus, Tram, Obus und U-Bahn

Im Vergleich der neuen Antriebstechnologien wurde berücksichtigt, dass sich die Betriebskosten je nach Einsatzspektrum unterscheiden. Tendenziell sind "Streckenlader" in der Beschaffung am teuersten, die Kosten für den laufenden Betrieb im Vergleich zu den Depot- und Gelegenheitsladern sowie Brennstoffzellenfahrzeugen jedoch am geringsten. Brennstoffzellenfahrzeuge weisen die höchsten Betriebskosten auf. Unterschiede bestehen zudem in den jeweils am besten geeigneten Einsatzspektren.

Letztendlich ist bei all diesen Konzepten eine Erhöhung der Betriebskosten zu erwarten (Abbildung 1). Gegenwärtig liegen die Kosten klimaneutraler Fahrzeuge spürbar über denen des Dieselbusses; auch nach allen derzeit verfügbaren Prognosen wird das Niveau in absehbarer Zukunft nicht auf das im Status quo absinken.

Abbildung 1: Mehrkosten des Betriebs (inklusive Fahrzeuge und Infrastruktur) von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben; Schraffur: Abhängigkeit der Mehrkosten von Ladekonzepten nach Angebotsdichte bzw. täglicher Laufleistung (Standardbus, Kostenstand 2018).

Quelle: KCW, eigene Berechnungen am Beispiel einer 15 km langen Buslinie im Großstadtverkehr auf Basis von Literaturangaben und eigener Marktkenntnis. Ladekonzepte: Streckenlader mit partieller Oberleitung, Depotlader im Betriebshof.

Die Abschätzung der Mehrkosten des ÖPNV lässt insgesamt einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von etwa 16 Mrd. EUR bis 2050 erwarten. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Betrag von ca. 530 Mio. EUR.

 

Fazit

Die betrachteten Städte und die Gemeinden in den Stadtregionen stehen vor erheblichen finanziellen und organisatorischen Herausforderungen.

Wirtschaftlich muss die Umstellung auf klimaneutrale Antriebstechniken bereits ca. Mitte bis Ende der 2030er Jahre abgeschlossen sein, um nicht noch einsatzfähige Busse stilllegen zu müssen. Die Entscheidung über Zieltechnologien, Errichtung und Anpassung der Infrastruktur und die betrieblichen Umstellungen wie Ausbildung des Personals sowie eine erfolgreiche Angebotsausweitung benötigen sorgfältige Vorbereitung und damit Zeit. Sie sollten möglichst unverzüglich in Angriff genommen werden.

Dabei ist ersichtlich, dass die zu erwartenden Mehrkosten die Gemeinden überfordern können. Von zentraler Bedeutung ist somit die verlässliche Verfügbarkeit von Fördermitteln. Bund und Länder sind gut beraten, hier Planungssicherheit zu schaffen und die Finanzierungsinstrumente so zu gestalten, dass die benötigten Mittel sachgerecht und effizient eingesetzt werden.

 


[1]     Überblick auf https://www.staedtebund.gv.at/themen/mobilitaet/stadtregionaler-oev/

[2]     https://www.bundestag.de/blob/543798/743f401f49bea64a7af491c6d9a0b210/wd-8-009-18-pdf-data.pdf

[3]     Richtlinienvorschlag COM(2017) 653 final vom 8.11.2017, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52017PC0653&from=EN

[4]     Einen Überblick über die Technologien gibt einer der Autoren auf https://www.kcw-online.de/veroeffentlichungen/dekarbonisierung-des-oeffentlichen-verkehrs

[5]     Die getroffenen Modellannahmen wurden dabei von den GutachterInnen entwickelt. Mangels konkret monetär bewertbarer Planungen basieren die Annahmen nicht auf tatsächlichen Überlegungen oder Entscheidungen der Städte, sondern auf möglichen Entwicklungen in den Stadtregionen. Sie sind nicht mit den Städten/Stadtregionen abgestimmt. Die Inhalte der Klimaschutzpläne der Bundesländer, soweit vorhanden, sind eingeflossen.