Selbstverpflichtung zwischen Kernstadt und Bundesland zur Abstimmung bei Stadtgrenzen überschreitenden ÖPNV-Projekten

Lena Rücker, am 24.09.2018

 

Wie können öffentliche Verkehre, die über die Stadtgrenzen geführt werden, im Interesse der ÖV-KundInnen möglichst reibungslos organisiert werden? Welche Abstimmungen sind dazu im Vorfeld zwischen Kernstadt und Bundesland nötig?

Im Auftrag der LandesverkehrsreferentInnen-Konferenz haben Bund, Länder und Städtebund im Rahmen der „Unter-Arbeitsgruppe Stadtregionaler Öffentlicher Verkehr“ dazu einen Vorschlag für eine Vereinbarung zur freiwilligen Selbstverpflichtung  erstellt, der von Kernstadt und Bundesland je nach Bedarf adaptiert werden kann.

Die skizzierte Vereinbarung definiert Schlüsselthemen (von einer gemeinsamen stadtregionalen ÖPNV-Strategie zu Abstimmungen bei Verkehrsangebot, ÖPNV-Infrastrukturentwicklung, Tarifhöhe, Vertrieb und Kundenkommunikation bis hin zu Bedienangebot und Finanzierungsfragen) sowie die jeweils nötigen Stufen der Einigung (von Informations-, über Konsultationspflichten bis hin zum Einvernehmen). Die Vereinbarung dient der Klärung der Rollen von Stadt, Land , VVOG, da im Gesetz unklar von „Länder und Gemeinden“ in gemeinsamer Zuständigkeit die Rede ist. Um Klarheit im Zweifelsfall zu schaffen, ist die Erstellung einer derartigen Vereinbarung zweckmäßig.

Die Vereinbarung zur stadtregionalen Abstimmung im ÖPNV wurde mittlerweile am  27.4.2018 auch von der LandesverkehrsreferentInnenkonferenz zur Kenntnis genommen.

Ergebnis der Unterarbeitsgruppe "stadtregionaler Verkehr" vom 16.01.2018 im Auftrag der LandesverkehrsreferentInnenkonferenz

ergeht an den Fachausschuss für Verkehrsangelegenheiten des
Österreichischen Städtebundes

 

Präambel

Der vorliegende Vorschlag einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Kernstadt und Land wurde in der Unterarbeitsgruppe "stadtregionaler öffentlicher Verkehr"[1] auf Basis eines GutachterInnenvorschlags entwickelt. Der Auftrag dazu wurde von der Arbeitsgruppe "ÖV Angebot Österreich", einem Beschluss der LandesverkehrsreferentInnenkonferenz aus dem Jahr 2015 folgend[2], erteilt.

Die vorliegende Vereinbarung soll als Beispiel für mögliche Vereinbarungen dienen, welche zwischen Kernstadt und dem jeweiligen Bundesland in Hinblick auf den stadtregionalen Verkehr abgeschlossen und auf lokale Erfordernisse hin adaptiert werden können.
 

Vorschlag für die Eckpunkte freiwilliger Vereinbarungen zwischen Stadtgemeinde und Land über den stadtregionalen Verkehr
 

1. Ziel der Vereinbarung

Die Stadtgemeinde […] und das Land […] verfolgen das Interesse, das Ange-bot des öffentlichen Verkehrs in der Stadtregion abgestimmt und effizient zu organisieren. Ziel dieser Vereinbarung ist, dass die für den ÖPNRV in den Stadtregionen zuständigen Behörden im Rahmen eines auf freiwilliger Grund-lage verbindlich vereinbarten Rahmens abstimmen, um die bislang anzutreffenden Doppelspurigkeiten und Defizite in der Abstimmung zu minimieren.
 

2. Zuständigkeiten

Die Stadt ist zuständige Behörde im Sinne der VO 1370/2007 n.F.  für die Organisation, Planung, Bestellung und Finanzierung des Personennahverkehrs im Sinne von § 2 ÖPNRVG.  Die Stadt nimmt ihre Aufgaben durch [Institution] wahr.

Das Land ist zuständige Behörde im Sinne der VO 1370/2007 n.F. für die Organisation, Planung, Bestellung und Finanzierung des Personenregionalverkehrs im Sinne von § 2 ÖPNRVG sowie des Schienenpersonennahverkehrs. Das Land nimmt seine Aufgaben selbst oder durch die Verkehrsverbundorganisationsgesellschaft […] wahr, sofern nachfolgend nichts anderes geregelt ist.
 

3. Abstimmung der zuständigen Behörden

Die zuständigen Behörden vereinbaren, sich bei der Strategie, Planung, Infrastruktur und der Umsetzung des ÖPNRV in der Stadtregion abzustimmen.

Das Nähere regeln die nachfolgenden Abschnitte.
 

4. Gemeinsames Strategiepapier für den öffentlichen Verkehr in der Stadtregion

Die gesetzlichen Grundlagen für den stadtregionalen Verkehr haben sich weiterentwickelt. Aufgrund von Art. 2a VO 1370/2007 n.F. sind die zuständigen Behörden seit dem 24.12.2017 verpflichtet, ein Strategiepapier für den öffentlichen Verkehr zu entwickeln. Bei der Spezifikation von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge und allgemeiner Vorschriften im Sinne der VO müssen diese mit den Zielen übereinstimmen, die in den Strategiepapieren aufgeführt sind.

Die zuständigen Behörden für den stadtregionalen Verkehr vereinbaren, dieses Strategiepapier für den gesamten öffentlichen Verkehr in der Stadtregion gemeinsam zu erstellen. Das Strategiepapier stellt die Ziele, die Strategie und die wesentlichen dafür vorgesehenen Entwicklungen des ÖPNRV und seiner Infrastruktur in mittel- und langfristiger Perspektive in der Stadtregion dar.

Die zuständigen Behörden vereinbaren ein regelmäßiges Controlling der Umsetzung und des Erreichens der Ziele im […]jährlichen Rhythmus, die im Strategiepapier für die Stadtregion vorgesehen sind.

Das Strategiepapier wird auf Basis der Ergebnisse der Evaluierung mindestens alle fünf Jahre fortgeschrieben.
 

5. Verkehrsplanung, Entwicklung der ÖPNV-Infrastruktur, des Tarifs, Vertriebs und der Kundenkommunikation

Die zuständigen Behörden erstellen einen mittelfristigen Plan für die Entwicklung des ÖPNRV-Angebots und der Infrastruktur im Bereich ihrer Zuständigkeit. Dieser Plan ist Grundlage der Bestellung von Verkehrsdienstleistungen.

Die zuständigen Behörden wirken auf durchgehende bzw. abgestimmte Verkehrsdienstleistungen an ihren Zuständigkeitsgrenzen hin.

Im Rahmen der Planung konsultieren sich die zuständigen Behörden in der Stadtregion wechselseitig, insbesondere in Bezug auf Stadtgrenzen überschreitende Verkehrsdienste und relevante Entscheidungen im individuellen Zuständigkeitsbereich. Dies gilt entsprechend bei wesentlichen technologischen Entscheidungen, die Auswirkungen auf Stadtgrenzen überschreitende Verkehrsdienstleistungen mit sich bringen.

Vorhaben in Bezug auf die Entwicklung der Tarifhöhe, des Vertriebs, der Kundenkommunikation betreffen die zuständigen Behörden gemeinsam. Bei diesen, oder wenn Änderungen bei Stadtgrenzen überschreitenden Linien in Stadtregionen beabsichtigt sind sowie zu für beide Partner dieser Vereinbarung relevanten Entwicklungen im individuellen Zuständigkeitsbereich eines Partners konsultieren sich die zuständigen Behörden wechselseitig. Sie berücksichtigen die jeweiligen Vorschläge und Einwände. Die zuständigen Behörden vereinbaren darauf hinzuwirken, Parallelstrukturen zu vermeiden. Sie vereinbaren Einvernehmen herzustellen, soweit die beabsichtigten Maßnahmen wesentliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die anderen zuständigen Behörde haben.
 

6. Bestellung/Festlegung des Bedienungsangebots

Die zuständigen Behörden informieren sich wechselseitig über die zur Bestellung vorgesehenen Verkehrsdienste. Soweit zur Bestellung vorgesehene Verkehrsdienstleistungen im Personenregionalverkehr in wesentlichem Umfang auch in den Zuständigkeitsbereich der anderen zuständigen Behörde in der Stadtregion reichen, stellen die zuständigen Behörden insoweit Einvernehmen her.

Die zuständigen Behörden erteilen öffentliche Dienstleistungsaufträge für [die nachfolgend aufgeführten] Verkehrsdienstleistungen im Personennahverkehr, die im Gebiet beider zuständiger Behörden verlaufen, grundsätzlich gemein-sam. Sie können vereinbaren, dass eine der Behörden diese Aufgabe wahrnimmt.
 

7. Wechselseitige Information und Zusammenarbeit der Aufgabenträger

Die zuständigen Behörden informieren sich wechselseitig über ihre Planungen zur Entwicklung der Infrastruktur, des Netzes und des Angebots sowie der Qualität des öffentlichen Verkehrs in ihrem Zuständigkeitsbereich sowie der Stadtgrenzen überschreitenden Verkehre. Sie informieren sich wechselseitig auch über wesentliche Entwicklungen außerhalb des öffentlichen Verkehrs, die Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr haben können.
 

8. Finanzierung des stadtregionalen Verkehrs

[Individuelle Regelungen]

 

 


[1] Die UAG stadtregionaler öffentlicher Verkehr besteht aus VertreterInnen der Landeshauptstädte (LeiterInnen der Verkersplanungsabteilungen bzw. den MitarbeiterInnen der den öffentlichen Verkehr finanzierenden Abteilungen), den Geschäftsführern der städtischen Verkehrsbetriebe, einzelnen Bundesländern (LeiterInnen der Verkehrsabteilungen von W, NÖ, Vrlbg, OÖ, Stmk), sowie einem Vertreter des BMVIT.

[2] Beschlusstext: „Die Landesverkehrsreferentenkonferenz ersucht daher die Arbeitsgruppe …. sich der Problematik der Stadtumlandverkehre, deren Planung, Standards und Struktur, unabhängig von den bisherigen Beschränkungen anzusehen, zu diskutieren, Probleme aufzuzeigen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.“